Persönliche Seite von T.R.E.Lentze

Lastwagen fahren.

Erste Version veröffentlicht am 22-11-2009.
Letzte Bearbeitung: 23-11-09.
Möbelfernverkehr

Im Sommer des Jahres 1976 habe ich meinen Führerschein der Klasse 2 (heute: CE) gemacht - für etwa 600 Mark, unvorstellbar wenig, verglichen mit den heutigen Preisen. Gelernt habe ich auf einem Bus, das heißt, daß ich mir die Anhänger-Erfahrung auf meinen späteren Arbeitsstellen erst erwerben mußte, so wie etwa bei der Möbelspedition Kanitz. Regelmäßig machten wir mit Hängerzügen Hausrat-Umzüge von Berlin nach Westdeutschland, fuhren sodann zu Möbelfabriken und kehrten zurück mit Schränken, die plattenweise in Plastik eingeschweißt waren. Diese meist sehr schweren und sperrigen Pakete mußten bei verschiedenen Berliner Möbelhäusern wieder ausgeladen werden, was jeweils mehre Tage in Anspruch nahm.

Möbelfernverkehr mit Hängerzug

Im Büro der Firma hing ein Bild von Herbert von Karajan samt handschriftlicher Widmung. Mit Fahrzeugen dieser Spedition wurden nämlich die Musikinstrumente der Berliner Philharmoniker transportiert, wenn diese auf Konzertreise gingen. Ich selbst kam nicht in die Gunst, mich an derartigen Transporten zu beteiligen, denn ich arbeitete dort nur so lange, bis ich mir verschiedene Blasinstrumente, darunter ein Fagott und eine gebrauchte Baßklarinette, kaufen konnte. Das schaffte ich in wenigen Monaten; denn zwar war die Arbeit sehr schwer und ermüdend, aber sie wurde auch hervorragend bezahlt.

Ford-Lkw

Ich richtete mir das Leben so ein, daß ich mich weitgehend meinen Interessen widmen konnte - und dazu gehörte eben die Musik einer bestimmten Richtung, aber auch das Schreiben. Für meine Wohnungen in Berlin zahlte ich anfangs 60 und zuletzt nicht mehr als etwa 120 Mark; bei meiner Mutter und bei meiner Freundin in Frankurt durfte ich umsonst leben. Es ist klar, daß ich unter diesen Umständen auch nicht durchgehend arbeiten mußte und häufig die Firma wechselte. Auf jeden Fall lernte ich mit Lastwagen so ziemlich aller Typen umzugehen.

Im Ford-Lkw

Manche Unternehmer, für die ich fuhr, waren übrigens auch nicht seriöser als ich; ja sie waren kriminell. In gewisser Hinsicht, d.h. was die planmäßig verlangte Lenkzeitüberschreitungen ihrer Fahrer betrifft, so waren sie es damals sogar alle. Ich spreche jetzt aber von denen, die samt Fahrzeugen über Nacht verschwanden und dadurch ihre Fahrer um ihre Löhne betrogen. Das traf zum Beispiel zu für den Spediteur, für den ich mit oben- und nebenstehendem Ford-Sattelzug oft nach Frankreich fuhr. Nachdem ich gekündigt und meinen ausstehenden Lohn abholen wollte, mußte ich feststellen, daß die Firma spurlos verschwunden war. Seitens der Staatsanwaltschaft in Koblenz wurde mir erklärt, daß an einer Verfolgung kein öffentliches Interesse bestünde. Da ich in diesem Milieu aber nicht wirklich zuhause bin, habe ich die Angelegenheit meinerseits auch nicht weiter verfolgt. Doch wie gesagt - es war kein Einzelfall.

Hanomag

Sehr spät für einen Führerscheinbesitzer, mit 39 Jahren nämlich (d.h. im Jahre 1989), kaufte ich mir erstmals einen eigenen Wagen, einen Volkswagen Golf, natürlich mit Dieselmotor. Etwas Anderes kannte ich ja nicht. Jetzt war aber immer noch der Wagen selber falsch, sodaß ich ihn wenige Monate später gegen einen Mercedes-Transporter austauschte. Aber auch der sah noch nicht so richtig nach Lastwagen aus, sodaß ich auch ihn umtauschte, diesmal gegen einen Hanomag AL 28, Baujahr 1964, mit Allradantrieb. Dies war das schönste und schnuckeligste Auto, das ich jemals hatte. Von ihm habe ich mich viele Jahre später nur deshalb getrennt, weil ich ihn - wegen Rostfraß - nicht mehr durch den TÜV bringen konnte. Mit ihm fuhr ich zur Arbeit, ja selbst zum Einkauf.

Dieser Hanomag ist ein Scheinriese, d.h. er sieht von Weitem größer aus, als er ist. Tatsächlich paßt er, zumindest in der Breite, auf jeden Pkw-Parkplatz. Angemeldet habe ich ihn als Wohnmobil. Er hatte inwendig ein über 2x2 m großes Bett, eine Dusche, und sehr viel Stauraum. Nirgends hätte ich so viel Werkzeug und Motor- und Getriebeteile aufbewahren können wie unter dem Bett bzw. den Sitzen. Diese Teile brauchte ich aber auch, so wie manche Weiber Schränke mit hundert Paar Schuhe brauchen. Eine besondere Zuneigung empfand - und empfinde ich heute noch - zu Schrauben, seien sie aus Stahl, aus Kupfer oder aus Messing, mit Sechskant- oder mit Inbusköpfen. Sie sind für mich das, was für die Frauen ihre Schmuckstücke sind. Dabei sind sie billiger und nützlicher. Der MAN in der Sahara.

Sehr bald aber zog es mich zu größeren Wagen. Es folgte also ein MAN 14.192 U, das ist ein 14-Tonner mit 5-zylindrigem Unterflurmotor. Dieser MAN war das erste Fahrzeug, mit dem ich allein die Sahara durchquerte. Gemessen an seinem Anschaffungspreis von nur 4000 Mark war er in einem hervorragenden Zustand. Zahlreiche heftige Stöße, die mich von meinem Fahrersitz hochwarfen und teilweise mit dem Kopf gegen die Decke der Kabine stoßen ließen, überstand er ohne Federbruch. Zwar lockerten sich immer wieder irgendwelche Schraubverbindungen, aber das ist bei Wüstenfahrten normal.

Mit dem MAN in der Wüste

Ein Problem waren allerdings die unvermeidlichen Weichsandpassagen. Hier ist der Wüstensand so fein, daß auch bei großem Anlauf der Wagen einsinkt und steckenbleibt. In der Regel kann man sich damit behelfen, daß man weitgehend die Luft aus den Reifen läßt, so daß diese dadurch sehr breit werden. Für den Notfall helfen Sandbleche.

Allerdings muß man dann auch in der Lage sein, die Reifen wieder aufzufüllen, weil sie bei hohen Geschwindigkeiten sonst platzen würden. Letzteres wird auch durch die Hitze des Wüstensandes begünstigt. Jedenfalls besteht eine ziemlich hohe Zahl von Fahrzeugen das Abenteuer nicht, wie ich mit obigem Foto demonstrieren möchte. Viele Autowracks sieht man allein deshalb nicht, weil ihre Fahrer sich abseits der breiten Pisten verirrt haben. Geht dann der Treibstoff oder das Trinkwasser aus, ist Hilfe reiner Zufall. Zu "meiner" Zeit, als Navigationsgeräte noch nicht üblich waren, sollen jährlich etwa 80 Europäer auf diese Weise ums Leben gekommen sein.

Der MAN in Togo

Nach meiner Ankunft in Togo - siehe Foto oben - habe ich den Wagen mit Gewinn verkauft. Übrigens war das Beste an ihm ein langes, sehr tief tönendes Drucklufthorn, das ich auf dem Kabinendach montiert habe und per Zugkette betätigen konnte. Die Wirkung zumal auf Fahrradfahrer war bisweilen umwerfend. Sie landeten nämlich im Straßengraben. Passanten zuckten zumindest heftig zusammen. In Deutschland wäre das natürlich ein Ärgernis; nicht so in Afrika. Jedenfalls hätte ich auf der Posaune niemals einen so lauten und scharfen Ton erzeugen können. Kein Wunder, denn der Betriebsdruck betrug 8 Bar.

Der Magirus in Marokko.

Der zweite Lastwagen, den ich durch die Wüste führte - ebenfalls mit einem enorm lauten Drucklufthorn -, war ein Magirus Merkur, Baujahr 1963, mit luftgekühltem V-Motor und Allradantrieb, siehe Foto oben.

Demontage des Getriebes

Nach meiner Ankunft in Marokko habe ich vorsichthalber die Kupplungsscheibe überprüfen lassen. Ein entsprechendes Problem hatte ich - mitten in der Wüste - bereits mit einem Peugeot 504 gehabt. Damals hatte ich für diesen Wagen extra eine zweite Kupplungsscheibe mitgenommen, so daß ich für die Reparatur dann auch gerüstet war. Sie gelang mir allerdings nur durch die (uentgeltliche) Hilfe einiger Algerier, die ebenfalls die Wüste durchquerten. Ich hatte kurz zuvor ihre Bekanntschaft geschlossen.

Demontage des Getriebes 2

 

 

 

 

Im Falle des Magirus wäre das nicht so einfach gewesen! Zum Glück zeigte sich, daß die Kupplung völlig in Ordnung war. Jedoch mußte zu diesem Zweck das Getriebe entfernt und wieder angefügt werden, und dazu bedarf es einiger kräftiger Männer. Insgesamt hat die Arbeit etwa einen Tag gedauert. Teuer war die Arbeit dennoch nicht; der Preis betrug einen Bruchteil dessen, was ich in einer deutschen Werkstatt hätte bezahlen müssen.

Demontage des Getriebes 3

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit Marokko verbinde ich, nebenbei erwähnt, sehr angenehme Eindrücke. Wie es heute aussieht, vermag ich nicht zu sagen. Inzwischen hat nämlich der Feminismus auch dort schon Fuß gefaßt; so sind in etwa die deutschen Scheidungsgesetze eingeführt worden, welche der Frau erhebliche Privilegien einräumen und den Familienvater zunehmend entmachten. Ob es bald noch so fröhliche Kinder und junge Männer geben wird, wie ich sie damals getroffen habe, ist also fraglich.

Zwei Magirus

Mein weiterer Weg führte mich durch die Republik Westsahara, Mauretanien, Mali und Burkina Faso zuletzt nach Benin, genauer nach Parakou. In dieser Stadt konnte ich, mit Hilfe eines einheimischen Kompagnon, mein Unternehmen starten. Das war zu Beginn des Jahres 1995. Im selben Jahr fand ich dort, fast gleichzeitig, meine erste und und meine zweite Frau. Darüber mehr in der Lebensbeschreibung.

Ein Jahr später überführte ich meinen zweiten allradgetriebenen Magirus, diesmal allerdings per Schiff. Er diente mir zum Transport von Holz aus dem Savannenwald nach Natitingou; wohingegen der erste als Bus für 33 Personen regelmäßig zwischen Parakou und Natitingou verkehrte. Regelmäßig wurde er auch von einem Veranstalter von Konzertreisen für den Transport der Musiker gemietet.

Auf dem Foto oben sehen Sie beide Magirus-Lastwagen in Natitingou. Den für den Holztransport bestimmten Wagen habe ich mit Ballonreifen ausgestattet, um ihn für das extrem schwierige Gelände im Savannenwald geeignet zu machen. Hierüber mehr in dem Galerie-Kapitel über die Arbeit in Benin.