Persönliche Seite von T.R.E.Lentze

Ein Haus bauen.

Erste Version veröffentlicht am 22-11-2009.
Letzte Bearbeitung: 24-11-09.

In Benin habe ich 1995 zwei Grundstücke von je etwa acht- bis neuntausend Quadratmetern (also nicht ganz einen Hektar) erworben, eins in Parakou und eins in Natitingou. Beide grenzen an einen Bach; zudem ist das Grundstück in Natitingou großenteils abschüssig, so daß man vom höchsten Punkt einen guten Blick über die etwas hügelige Landschaft hat. Dort habe ich im Jahre 2000 begonnen, mein Haus zu bauen. Wegen unserer eigentlich nicht geplanten Ausreise ist es jedoch nicht fertiggeworden.

Fundament des Hauses

Dieses Haus - rechts im Bild sehen Sie das Fundament mit den ersten Geschoß-Pfeilern - besteht (oder bestand) aus einem Stahlbeton-Skelett, und Wänden aus Stampflehm. Ferner sollte es drei Kuppeln aus Lehmziegeln erhalten, von denen ich nur eine bis zu meiner Abreise fertigstellen konnte. Die mittlere der drei Lehmkuppeln - in persischer Bauweise - sollte auf das einzige Obergeschoß-Zimmer aufgesetzt werden; die anderen beiden auf zwei Untergeschoßzimmer. Zwei halb so große Zimmer erhielten Flachdächer aus Beton, die als Speicher von Regenwasser und zugleich als Kühler geplant waren. Ferner gab es zwei Duschräume mit Komposttoiletten.

Stampflehmbau 1

Warum Wände aus Lehm? Des Klimas wegen! Oft findet man in afrikanischen Dörfern Betonhütten mit Wellblechdächern unmittelbar neben traditionellen Lehmhütten mit Strohdach. Kehrt man zuerst in das eine und sofort danach in das andere Haus ein, so fühlt man einen Unterschied, wie er krasser kaum vorstellbar ist: In dem einen Raum ist es angenehm kühl; in dem anderen fühlt man sich wie in einer Sauna. Man sollte die Besitzer nicht fragen, warum sie sich das antun. Es liegt auf der Hand, daß sie sich durch die Anwendung europäischer Bauweisen aufgewertet fühlen.

Stampflehmbau 2

 

 

 

Für den Bau der Lehmwände wählte ich allerdings eine in Afrika anscheinend ungebräuchliche Methode, nämlich den Stampflehmbau. In den Bildern oben und rechts ersehen Sie, wie ich mit Hilfe zweier Bohlen und Klemmeisen eine Art Kasten geschaffen habe, in den der Lehm hineingeschüttet wird. Dort wird er mit einem Kantholz so kräftig wie möglich gestampft, bis er auf etwa die Hälfte seines ursprünglichen Volumens verdichtet ist. Dann wird sofort die nächste Lage aufgeschüttet und weiter gestampft. Ist der Kasten fast voll, wird die Schalung entfernt und höher neu angesetzt. Sobald die Mauer so hoch geworden ist, daß das Kantholz beim Stampfen gegen den oberen Beton-Querbalken stößt und folglich nicht mehr verwendet werden kann, muß mit dem Hammer weitergearbeitet werden. Zuletzt wird die Innen- oder Außenseite der Wand ganz abgeschlossen und von der Gegenseite her gestopft.

Stampflehmwand mit Kind davor

Auf den Bildern können Sie die Struktur einer derartigen Wand gut erkennen. Der Lehm hat insgesamt eine angenehm rötliche Farbe, allerdings in sehr differenzierter Schattierung. Sein Wert für die Gesundheit besteht darin, daß er "atmet" und somit die Luftfeuchtigkeit im Hause niedrig hält. Von innen nimmt er die Feuchte auf, nach außen gibt er sie ab. Das erklärt auch seine kühlende Wirkung. Einem Schimmelbefall wirkt er folglich entgegen. Man fühlt sich wohl in einem solchen Hause.

Stampfziegel-Herstellung

Für die Innenwände habe ich aber noch eine andere Bauweise angewandt, welche die der Lehmsteine mit dem des Stampflehms kombiniert. Betrachten Sie hierzu das Bild rechts. In eine zerlegbare Holzform (die ich mir durch einen Tischler habe anfertigen lassen) wird Lehm geschüttet und dieser dann wie gewohnt gestampft. Anschließend wird der obere Rand glattgestrichen und die Form entfernt. Damit erhält man großformatige Lehmsteine, die zusammen mit Lehm-Mörtel zu einer Mauer aufgeschichtet werden. Die verbleibende Lücke zur Zimmerdecke wird in gewohnter Weise mit halbfestem Lehm gefüllt und zugehämmert.

Stampfziegelwand

Ein halbfertiges Ergebnis sehen Sie links. Ob so eine Wand nun schöner aussieht als eine komplett gestampfte, ist sicher Geschmackssache. Ich weiß auch nicht, ob ihre Herstellung schneller geht. Ich wollte nur einfach verschiedene Weisen des Lehmbaus ausprobieren.

Im Nachhinein möchte ich behaupten, daß eine reine Stampflehmwand nicht nur schöner aussieht, sondern auch haltbarer ist, weil sie keinen Mörtel enthält.

 

Lehmstein-Herstellung

 

Für die Herstellung von Lehm-Kuppeln kommt man aber ohne die reine Lehmstein-Bauweise nicht mehr aus - es sei denn, man würde einen gewissen Aufwand treiben. Ich habe mich diesbezüglich an das "Lehmbau-Handbuch" von Prof. Gernot Minke (Universität Kassel) gehalten. Dieses Buch hatte ich ab einem gewissen Zeitpunkt ständig bei mir auf der Baustelle. Es enthält genaue Angaben über die verschiedenen Lehmbauweisen, gerade auch was den Bau der Kuppeln bzw. Gewölbe betrifft. Dazu gehört auch einige Geometrie. Um zu verhindern, daß Kuppeln einstürzen, müssen sie nämlich eine genau definierte Krümmung haben, die weder der einer Kugel noch einer Parabel noch einer Kettenlinie entspricht. Minke hat sie mit Hilfe eines Computerprogramms ermittelt.

Lehmsteine werden nicht gestampft, sondern "gepatzt", das heißt, der Lehm wird mit einem energischen Schwung in die nicht zu große Form geschleudert und dann abgestrichen. Anschließend wird die Form, wiederum mit einem Schwung, abgehoben. Die Steine werden sodann zum Trocknen aufgestellt.

Kuppelform

Wie aus dem Foto links ersichtlich, habe ich mir für den Bau der Kuppeln eine Form aus Armierungsdraht hergestellt, deren Krümmungsmaß ich mit den Berechnungen von Prof. Minke abgeglichen habe. Dieser schreibt zwar zurecht, daß der Kuppelbau andernorts Tradition habe, d.h. ohne derartige Hilfsmittel auskomme. Aber da ich die Erfahrung dieser Baumeister nicht mitbringe, habe ich es vorgezogen, auf Nummer Sicher zu gehen.

Von den zwei bei Minke angegebenen traditionellen Kuppel-Bauweisen habe ich mich übrigens, nach einigen Versuchen, für die persische Bauweise entschieden. Hierbei werden von den Ecken der quadratischen Grundformen her vier Bögen aufgeschichtet, bis sie sich in den Mitten der Seitenlinien berühren, und dann weiter nach oben gearbeitet. Die afghanische Bauweise beschränkt sich zu Beginn auf nur zwei, aber entsprechend größere Bögen.

Persische Kuppel 1

 

 

Was auf dem Bild oben wie ein Lehmhaufen aussieht, ist bereits der Anfang eines Eckbogens. Auf dem Bild rechts können Sie drei bereits weiter fortgeschrittene Eckbögen einer anderen Kuppel erkennen; somit ist die persische Bauweise hier offensichtlich. Die Drahtlehre fehlt hier noch. Ich habe daher die Bögen an dieser Stelle zunächst wieder abgebaut, da ich meinem Augenmaß letztlich nicht traute und kein Risiko eingehen wollte.

Persische Kuppel 2

Auf dem Bild links sehen Sie wieder die zuerst gezeigte Kuppel, diesmal in viel weiter fortgeschrittenem Zustand. Bei genauem Hinsehen werden Sie auch erkennen, daß die Abstände zwischen den vier Eckbögen nunmehr ausgefüllt sind, sodaß die Lehmsteine jetzt kreisförmig aufgelegt werden können.

Die Betonpfeiler waren vorgesehen für das Dach des Obergeschosses, auf dessen Mitte die dritte Kuppel hätte errichtet werden sollen.

Unfertige Kuppel von innen

 

 

 

Rechts sehen Sie mich auf dem Baugestell. Ich habe die Arbeit des Kuppelbaus allein machen müssen, ja eigentlich auch allein machen wollen, denn mir war klar, daß ich weit und breit keine Experten für diese Bauweise finden würde. Es gibt ja keine entsprechende Tradition im Land.

Fertige Kuppel von innen

Hier die Innenansicht der fertigen Kuppel. Oben befindet sich eine quadratische Luft-Abzugsöffnung, die mit einem Lehmstein überdacht ist. Vielleicht können Sie sich vorstellen, lieber Leser, wie unendlich erleichtert ich war, als ich die Arbeit an der vermutlich ersten Lehmkuppel des Landes vorläufig abschließen konnte; und vielleicht können Sie auch meine Enttäuschung ermessen, die mich befiel, nachdem ich, wenige Wochen nach unserer Ausreise nach Deutschland, lesen mußte, daß die Kuppel eingestürzt sei - wegen fehlender Wartung während der einsetzenden Regenzeit!

Haus mit Kalk-Anstrich

Wie ein Regenschutz für Lehm-Oberflächen aussehen kann, ersehen Sie an der Ganz-Ansicht des Hauses: Die Wände sind mit Kalk bestrichen. Dieser Anstrich gibt ihnen nicht nur die blendend weiße Farbe; er schützt sie auch, wenigstens für eine gewisse Zeit, gegen eindringende Feuchtigkeit, ohne aber die Atmung zu unterbinden. Freilich muß er jährlich erneuert werden. Für die Kuppeln wäre ein bloßer Kalkanstrich vielleicht nicht ausreichend gewesen; hierfür gibt es aber weitere Lösungen, etwa einen Anstrich mit einer Mischung aus Lehm und Kasein mit Rinderdung.

Jedenfalls halte ich an meiner Auffassung fest, daß der mir berichtete Einsturz der Kuppel nicht nötig gewesen wäre. Über derlei enttäuschende Erfahrungen wissen wohl so ziemlich alle offiziellen Entwicklungshelfer zu berichten: Man geht mit großem Idealismus an eine Sache heran, bringt sie eventuell zum erfolgreichen Abschluß - um später zu erfahren, daß alles wieder verfallen ist! Ich gehe jedenfalls davon aus, daß von meinem Haus bestenfalls noch das Betonskelett erhalten geblieben ist. Einen Kontakt habe ich nicht mehr herstellen können: Briefe pflegten damals durch Postangestellte aufgefangen und geöffnet zu werden, in der Erwartung, Geldscheine vorzufinden.

Das Haus von der oberen Grundstückgrenze gesehen

Oben sehen Sie eine Ansicht des (unfertigen) Hauses von der Südseite aus. An der abschüssigen Wand sind unten die Öffnungen der Komposttoiletten zu erkennen, durch die man den fertigen Kompost entnehmen kann. Links sehen Sie das Haus von der Westseite bzw. von der oberen Grundstücksgrenze aus, die durch eine Naturstein-Mauer bezeichnet ist. An der linken Seite ist die geöffnete Eingangstür zu erkennen. Den Schlüssel besitze ich noch; jedoch ist das Grundstücks-Dokument seit meiner Trennung von meiner togoischen Ehefrau in Deutschland verschwunden.


Armierung 1

 

 

 

Abschließend noch einige Bilder zum Betonbau, auch wenn dieser dem Europäer nichts Neues bietet, ja meinen Dilettantismus offenbart. Wie der Betonbau vonstatten geht, habe ich mir durch einheimische Maurer vormachen lassen, bis ich ihn dann eigenständig weiterführte. Die gesamte Stahl-Armierung ist mein eigenes Werk; dies war mir eine angenehme und, verglichen mit dem Kuppelbau, relativ leichte Tätigkeit, bei der ich mir auch viel Muße ließ. Ich fuhr das - dort recht billige - Material mit meinem Magirus 2 heran, sägte die Stangen zurecht, bog sie in einer selbst gebauten Vorrichtung und fügte die Teile zusammen. Anfangs und sicher auch später habe ich dabei Fehler gemacht, aber mit diesem Manko stehe ich in Afrika (zunehmend übrigens auch hier) nicht allein.

Armierung 2

Selbstverständlich habe ich die einfachen und körperlich sehr anstrengenden Arbeiten durch Hilfskräfte erledigen lassen. Dazu gehörte das Mischen des Betons, das Heraufholen von Wasser aus dem Bach und der Transport von Lehmsteinen. Für die Verschalung habe ich einen Bautischler samt Gehilfen engagiert. Ansonsten aber war ich Bauherr, Architekt und Bauleiter in Personalunion. In Anbetracht, daß ich auch nicht ansatzweise irgendwelche Bauvorschriften zu beachten gehabt habe (welche in Deutschland ein erdrückendes Ausmaß angenommen haben), werden Sie mir glauben, daß es, Alles in Allem, eine aufregende und höchst befriedigende Beschäftigung gewesen ist!

Gemeinsames Lehmstampfen

 

 

 

Das letzte Bild zeigt eine der angenehmsten und gemeinschafts-fördernsten Tätigkeiten, nämlich das Lehmstampfen vor der Verwendung des Lehms. Diese Tätigkeit erhöht die Festigkeit, wenn man den Lehm dann einen Tag ruhen läßt. Sie sehen als Mitarbeiter meinen Sohn, der damals nicht ganz vier Jahre alt war und demnächst zwölf Jahre alt wird. Möge ihn diese Dokumentation an die Zeit eines glücklichen Familienlebens im Land seiner Geburt erinnern!

 


Blick von der Kuppel-Baustelle hinab ins Untergeschoß